Viele Jahre nachher, als das Meerweib so alt und
faltig wurde, dachte der Meermann noch oft an des
Schiffers schöne und mitleidige Frau. Er beschloß, sein
altes Hauskreuz zu verlassen, den Schiffer mit einem
Sturm zu überfallen und zu ersäufen und dann die
schöne Wittwe zu freien; aber es fiel ihm nicht ein,
daß die Frau des Schiffers inzwischen auch alt ge-
worden war.
Einſt sah er das Rantumer Schiff wieder über See
kommen, da dachte er: nun ist es meine Zeit. Er sagte
zu seinem Weibe: "ich will hin, um Heringe zu fischen,
du mußt Salz mahlen zu der Heringslauge, bis ich wieder
komme." *) — Denn er wußte, dann machte sie einen
gräulichen Lärm in ihrem Hause beim Meeresgrunde.
Als der Sylter Schiffer in ihre Nähe kam, so war
dort ein solcher Mahlstrom in dem Wasser, daß er mit
sammt seinem Schiffe, mit Mann und Maus versank.
Unterdessen schwamm der Meermann nach Sylt
und ging ans Land auf Hörnum. Er spazierte längs
dem Strande und dachte an das Weib des Schiffers.
Gegen Abend kam ihm ein Mädchen entgegen, eben beim
Küssethal. *) Er meinte, es wäre die Frau des
Schiffers, aber es war seine Tochter , die ihrer Mutter
sehr ähnlich war. Er hatte sich ganz und gar verwandelt,
hatte sich angetakelt wie ein Sylter Seefahrer, aber ge-
behrdete sich wie ein Nachtschwärmer, und begann zu
dem Mädchen mit eins (sofort) zu freien. — Sie wurde
verlegen und bange vor ihm, aber er setzte ihr einen
---
*) Von dem Salzmahlen der Meeresfrau (Ran) soll die
ganze See zuletzt salzig geworden sein.
**) Auf Sylterfriesisch : Taatjemglaat
Seite:Friesische Sagen und Erzählungen.pdf/166
Detdiar sidj as efterluket wurden.