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Detdiar sidj as efterluket wurden.
– IV –


ein noch so geringes, wenn es ihm zu Gebote steht, ver-
schmähen. Wir Friesen und namentlich wir Jnsel-
friesen sind aber, wie mir scheint, eben in einer solchen
Lage. In Ermangelung einer wirklich eigenen in’s Alter-
thum hinein reichenden Geschichte kann und muß die
S a g e die Geheimnisse, die Heiligthümer unserer Heimath
und unserer Vorfahren aufbewahren und uns aufschließen;
sie muß das Bewußtsein unserer Abkunft und Nationalität
erhalten und stärken helfen; sie hilft die Getrennten min-
destens geistig verbinden und sie erfrischt und erheitert so
oft die Gemüther der wirklich Verbundenen in den sonst
so langweiligen Winterabenden; sie bringt uns reichen
Stoff zu weisen Gedanken, spornt vielleicht zu edlen Vor-
sätzen und Thaten uns an oder erfüllt uns mit poetischen
und religiösen Bildern. — Solchen Werth hat die Sage
— ich meine natürlich die heimathliche —- in meinen
Gedanken.

   Ich habe denn versucht, eine Sammlung der besten,
einigermaßen historisch begründeten, S a g e n meiner Hei-
math zu machen und lege sie hiermit den Landsleuten und
andern Lesern vor.*) Ich habe mich im Geiste zurück-
versetzt in jene glücklichen Tage meiner Kindheit, in jene
trauten Kreise, in welchen mir die Geheimnisse, ich möchte
sagen, die Heiligthümer meiner Vorfahren, meiner Insel
und meines Volksstammes zuerst offenbaret wurden; habe

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*) Ich hatte anfänglich mir vorgenommen, die heimathlichen
Sagen in der sylter-friesischen Mundart zu schreiben, allenfalls
eine deutsche Uebersetzung derselben hinzuzufügen, allein der zu
bearbeitende Stoff und die Schwierigkeit der Bearbeitung des-
selben in einer uncultivirten Sprache wuchsen mir und meiner
beschränkten Zeit nur zu bald über den Kopf, so daß ich minde-
stens vorläufig von diesem anfänglichen Plane abstehen mußte. ––
(Siehe den Anhang.)