Text:Des Magnus Küren
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Dr. Karl Freiherr von Richthofen: Friesische Rechtsquellen. Berlin. 1840.
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Wollet hören und lasset euch erzählen von den ersten Küren, welche
die Friesen willkürten, als sie zu Rom den freien Stuhl erwarben und
der Kampf anfing zwischen König Karl und den römischen Herren
wegen der [ausgestochenen] Augen des Papstes Leo. Da führte man
die nackten Friesen ganz nach vorne, damit sie zuerst erschlagen wür-
den. Da wagten die Friesen ihr Leben dafür und nachher erkämpften
sie es mit den Händen, daß sie die Römerburg eroberten zur dritten
Tageszeit, als die römischen Herren bei Tische saßen. Da setzte Magnus,
der der Fahnenträger der Friesen war, seine Fahne auf den allerhöchsten
Turm, den es in Rom gab. Wie leid war das dem König Karl: zuvor wa-
ren sie alle nackte Friesen, nun nannte sie der König alle Herren.
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Da bot man den Herren Gold und feine Gewänder an; da bot man einem
jeden an, seinen breiten Schild mit rotem Golde zu beschlagen. Da bot
man jedem der Herren an, ihn in ein besonderes Reich einzusetzen
und daß man ihm von da aus diente, wie man einem mächtigen König
[dienen] sollte. Alle Gaben, die der König anbot, lehnte Magnus ab
und er wählte sich eine andere, viel bessere, und alle Friesen stimmten
seiner Wahl zu.
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Da wählte Magnus als erste Küre, daß alle Friesen Vollfreie sein sollten,
der Geborene und der Ungeborene, solange der Wind von den Wolken
wehen und die Welt bestehen würde, und daß sie aus freier Wahl des
Königs edle Heergenossen sein wollten.
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Danach wählte Magnus die zweite Küre, und alle Friesen stimmten
seiner Wahl zu, (nämlich) daß man den Friesen die Holzbänder vom
Halse lösen sollte und daß sie immerfort Vollfreie sein wollten, der
Geborene und der Ungeborene, und daß sie aus freier Wahl des Kö-
nigs edle Heergenossen wären.
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Da wählte Magnus die dritte Küre, und alle Friesen stimmten seiner
Wahl zu, (nämlich) daß sie keine höhere Königssteuer zahlen sollten
als die rechtmäßige Haussteuer an den Skelta, es sei denn, daß unver-
ständige Leute sich Bannbußen zuschulden kommen ließen und sie
die dann entrichten rnüßten.
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Danach wählte Magnus die vierte Küre, und alle Friesen stimmten
seiner Wahl zu, (nämlich) daß sie keine höhere Abgabe an die Kirche
zahlen sollten als den rechtmäßigen Zehnten an den Propst, der die
Messe in der Hauptkirche liest, es sei denn, daß unverständige Leute
sich Bannbußen zuschulden kommen ließen und sie die dann entrich-
ten müßten.
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Danach wählte Magnus die fünfte Küre, und alle Friesen stimmten sei-
ner Wahl zu, (nämlich) daß sie auf keiner Heerfahrt weiter ziehen
wollten als ostwärts bis zur Weser und westwärts bis zum Fli, land-
einwärts zur Flutzeit und zurück zur Ebbezeit, weil sie bei Tag und
bei Nacht das Meeresufer vor dem nordischen König und der Flut der
wilden Wikinger mit fünf Waffen: mit Schwert und mit Schild, mit
Spaten und mit Gabel und mit der Speerspitze schützen.
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Danach wählte Magnus die sechste Küre, und alle Friesen stimmten
seiner Wahl zu, (nämlich) daß sie ihr eigenes Recht in ihren sieben See-
landen halten wollten gemäß dem Privileg des Papstes und des Königs,
nach allen rechtmäßigen Geboten und nach allen rechtmäßigen Sprü-
chen des Asega (und) durch jedes rechtmäßige Urteil der Priester, wenn
diese zwei Laien als Beistimmende hätten.
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Danach wählte Magnus die siebente Küre, und alle Friesen stimmten
seiner Wahl zu, (nämlich) daß Papst Leo und König Karl ihnen Brief
und Siegel geben möchten und sie darauf (diese) sieben Satzungen und
(die) siebzehn Küren und (die) vierundzwanzig Landrechte und (die)
sechsunddreißig Sendrechte schreiben dürften.
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Die Erlaubnis dazu erteilten Papst Leo und König Karl mündlich und
nachher bekräftigen sie die durch Handschlag. Ein heiliger Bischof
saß dabei und schrieb es mit den Händen auf und Magnus sprach es
ihm mündlich vor von der Tafel, die Gott selbst Moses auf dem Berge
Sinai gegeben hat.
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Als dieser Rechtsbrief fertig gestellt war, wie froh und erfreut da man-
cher edle Friese war! Dann stellten sie sich alle zusammen vor dem
Papst und dem König auf. Der Papst übergab ihnen den Rechtsbrief,
Wie nachdrücklich befahl er es ihnen und hieß er sie das genau zu halten,
ebenso fest wie sie den Christennamen behalten möchten, und daß sie
dem südlichen Recht gehorsam sein sollten, denn sie gehörten (ehedem)
zu dem nördlichen Königreich und waren alle Heiden.
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Als der Rechtsbrief ihm zuerst in die Hände kam, da stimmte Mag-
nus ein Loblied an und sang: "Christ, sei uns gnädig, Kyrie eleison".
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Dann räumten sie den Hof König Karls und das Land der Römer.
Auch band er des Königs Heerzeichen an seine Lanze, damit es allen
Leuten glaubhaft wäre, daß alle Friesen Vollfreie seien, der Geborene
und der Ungeborene, solange der Wind von den Wolken wehen und
die Welt bestehen würde. Diesen Rechtsbrief brachte Magnus nach dem
Friesenland, den kann man lesen in Almenum im St. Michaelsdom, der
damals aus Holz und Segeltuch erbaut war. Es gab (damals) in Fries-
land sonst nicht viele (Kirchen). Dort liest man in dem Rechtsbrief
sieben Satzungen und siebzehn Küren und vierundzwanzig Land-
rechte und sechsunddreißig Sendrechte, allen Friesen zu Lob und
Ehren.
Kwel:
W.J.Buma, W.Ebel: Westerlauwerssches Recht I. Göttingen. 1977. S. 130-135.